Aus meiner Kindheit sind mir einige Leitsätze in Erinnerung geblieben, die limitierende Glaubenssätze und Programme in sich tragen. So schwingt da nach wie vor der Satz in mir nach: "Gib nicht so viel, du wirst es sowieso nicht zurückbekommen." Wo genau ich diesen Satz aufgeschnappt habe, soll an dieser Stelle gar keine Rolle spielen. Dennoch spiegelt dieser Satz für mich eine Überzeugung wider, die ich in den verschiedensten Bereichen der modernen Welt wiederentdecke.
Sei es, dass wir in der Schule ungern jemanden abschreiben lassen, weil wir selbst doch so viel Mühe und Zeit in die Hausaufgaben gesteckt haben. Oder dass wir auf der Arbeit die Methode, die so viel Zeit einsparen kann, nicht mit Kolleg:innen teilen, denn dann wären ja alle so schnell und potenziell erfolgreich wie wir selbst. Sei es, dass wir bei Unternehmen "Non-Disclosure Agreements" unterschreiben, um ja nichts der großen und teils auch eher sehr kleinen Dinge irgendwo anders jemals preiszugeben – könnte ja der Konkurrenz in die Hände fallen. Oder dass wir um den globalen Bedarf an einzelnen Rohstoffen die hochkomplexen Ökosysteme des Regenwaldes abholzen.
Dass dieses stetige Nehmen bereits auf kurzer Sicht einfach nicht funktioniert, wird sehr schnell klar. Für mich selbst war es daher auch essentiell zu verstehen, dass das kosmische Gesetz eigentlich genau andersherum funktioniert, wie dieser Leitsatz aus irgendeiner frühen Kindheitserinnerung. Wir dürfen aus ganzem, warmen, offenen Herzen geben – unsere Liebe im Inneren darf nach außen überschwappen, und sie wird zu uns zurückkommen, vielleicht sogar in noch größerer Vielfalt. Und diese dürfen wir dann auch wiederum tief in unserem Herzen annehmen.
In der Dynamik zwischen Geben und Nehmen liegt ein fundamentales Prinzip, das unser Leben in allen Bereichen durchzieht. Die Balance zwischen diesen beiden Polen ist essenziell für unser Wohlbefinden, unsere Beziehungen und den gesamten Kosmos. Ein Ungleichgewicht kann negative Folgen auf verschiedenen Ebenen haben.
Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen stärkt unser Selbstwertgefühl. Wenn wir geben, erfahren wir Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit. Wenn wir empfangen, lernen wir, uns selbst anzunehmen und wertzuschätzen, dass wir etwas Wertvolles zu bieten haben.
Es geht also nicht nur darum, selbstlos zu geben, sondern auch annehmen zu können. Die Bereitschaft, zu empfangen, erfordert Demut. Wir erkennen an, dass wir nicht alles selbst schaffen können und dass wir auf die Unterstützung anderer angewiesen sind.
Die moderne Konsumkultur fördert ein ständiges Streben nach mehr, ohne die Wertschätzung dessen zu betonen, was wir bereits haben. Dies kann zu einem Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen führen, da der Fokus auf Nehmen und Besitzen liegt.
Das magische Gefühl von Dankbarkeit ist eng mit dem Geben und Nehmen verbunden. Wenn wir dankbar sind für das, was wir haben und bekommen, öffnen wir uns für mehr Fülle und Freude in unserem Leben.
Ohne Geben kein Nehmen – es ist ein stetiger Kreislauf, der nicht aus dem Gleichgewicht geraten darf.
Journaling-Fragen zur Selbstreflektion:
In welchen Bereichen meines Lebens erlebe ich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen?
Wo gebe ich mehr, ohne etwas zurückzuerhalten? Fühle ich mich dadurch benachteiligt oder wertgeschätzt?
Nehme ich genug an? Erlaube ich mir, Hilfe und Unterstützung von anderen anzunehmen?
Welche Rolle spielt Dankbarkeit in meinem Leben? Wie kann ich meine Dankbarkeit für das, was ich habe und bekomme, kultivieren?
Was kann ich tun, um in meinen Beziehungen und in meinem Alltag mehr Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen zu schaffen?
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